PianoPassion

Klavierunterricht in Freiburg,
Michael Köllner

„Als Korrekturleser für Noten bin ich ein kleines Rädchen im Getriebe großer Werke.“

Es sind nicht nur bisher unbekannte Werke, die frisch gedruckt werden. Auch schon längst auf dem Markt befindliches Notenmaterial wird von Zeit zu Zeit von Musikverlagen neu editiert und herausgegeben. Notenmanuskripte liegen meist in Form der originalen Handschrift des Komponisten, von Abschriften deren Schüler*innen oder ersten Drucken aus den vergangenen Jahrhunderten vor.

Lange Zeit bedienten sich die Notenverlage beim Druck den ausschließlich bekannten und öffentlich zugänglichen Quellen. In früheren Zeiten schrieb man Notenmanuskripte auch händisch ab, um sie zu vervielfachen. Dass dabei Fehler passiert sind, weiß man. Und auch die vorliegenden Quellen lassen die Verlage oft nicht auf der sicheren Seite stehen: immer wieder tauchen neue und unbekannte Vorlagen desselben Werkes auf, die zum Beispiel in Privatbesitz waren oder in Bibliotheken unentdeckt schlummerten.

Und siehe da: im Vergleich mit den bisher benutzten Quellen weisen sie doch manche Abweichungen auf. Auch bewusste Eingriffe von Herausgebern in den Notentext des Komponisten waren lange Zeit gang und gäbe. Ein einfaches und bekanntes Beispiel ist der Name der Mondschein-Sonate von Beethoven: er stammt ganz unromantisch vom Herausgeber, damit sich das Werk besser verkaufen lässt.

Ein hinzugefügter Name ist nun eine sehr offensichtliche Veränderung, die sich leicht entfernen ließe. Doch die Eingriffe und Veränderungen gehen oft bis in kleinste Details hinein. Da werden Noten, Bögen, Lautstärken, Tempoangaben etc. verändert. Und jede dieser bewussten oder unbewussten Veränderungen haben Auswirkungen auf die Gestaltung und damit die Wirkung des Stücks.

Chopin zum Beispiel hatte die Angewohnheit, ein Werk in Polen zu komponieren und dort bei seinem Verleger in Druck geben zu lassen. In Frankreich bearbeitete er dieses Werk nochmals, veränderte es und gab es in Frankreich in Druck - ohne seinen Herausgeber in Polen zu informieren und es dort anzugleichen. So existieren nun also verschiedene Quellen ein und derselben Komposition.

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Urtext-Ausgaben

„Seit über einem Jahrhundert haben wir nun als Ziel, das Eigentum der Komponist*innen so unverfälscht wie möglich wieder zu geben.“

Wie geht man heutzutage mit diesen vielen Einflüssen in das vorliegende Notenmaterial und den unterschiedlichen Quellen um? Wie kann man ein Druckerzeugnis erstellen, dass sich so nah wie möglich an der Absicht der Komponist*innen bewegt und die Eingriffe von fremden Personen minimiert?

Die sogenannten Urtext-Ausgaben kommen dieser verantwortungsvollen Aufgabe nach. Ein Verlag mit seinen vielen Redakteur*innen und Lektor*innen sucht, recherchiert, vergleicht und bewertet im Vorfeld des Neudrucks intensiv die vorliegenden Quellen. Er versucht, Eingriffe von fremden Personen heraus zu arbeiten und diese zu korrigieren (möglich, wenn zum Beispiel die originale und im Idealfall sehr gut lesbare Handschrift einer Komposition vorliegt) bzw. kritisch anzumerken. Der Verlag macht kenntlich, welche Quellen für die Neuauflage verwendet wurden und nach Möglichkeit welche diese sind.

Urtext-Ausgaben sind verantwortungsbewusste, dem geistigen Eigentum der Komponist*innen verpflichtete, wissenschaftlich untersuchte und entstaubte Ausgaben. Sie geben so den Interpret*innen einen wahren Wissenskatalog an die Hand, in dem sie auch zum Teil selbst entscheiden müssen, welcher Quelle sie beim Spielen folgen möchten.

Meine Schüler*innen arbeiten alle mit Urtext-Ausgaben, vornehmlich von Henle und Schott (Wiener Urtext Edition).

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Rezension Korrekturleser Michael Köllner

"Ich habe lange Zeit die Noten meines Großvaters in Ehren gehalten und daraus gespielt. Doch irgendwann verstand ich: es ist Papier. Da spielt die Nostalgie und die Gefühle keine Rolle. Im Gegenteil, sie hindern daran, einen neuen und kritischen Blick auf das Werk zu bekommen. Alte Noten sind ein gedrucktes Zeitzeugnis, das oft keine Relevanz mehr hat, weil die heutige Kenntnis der Quellenlage anders geworden ist. Deshalb ist es unumgänglich, sich von Zeit zu Zeit neues Notenmaterial zu besorgen und die alten Noten in Würde zu verabschieden."

Michael Köllner

Tätigkeit als Korrekturleser

„Ich wollte Notentexte nicht nur spielen können, sondern sie auch verstehen. Ohne ein grundlegendes Verständnis kann man sich der Komposition nur annähern.“

Seit über 30 Jahren bin ich nun neben meiner Pädagogentätigkeit für verschiedene Musikverlage als Korrekturleser für Noten tätig und arbeite daran mit, dass neue Ausgaben in fehlerfreiem Zustand auf den Markt kommen.

Generell verhalte ich mich in den meisten Bereichen meines Lebens sehr gewissenhaft und akribisch. Die Fähigkeit, die Noten beim Lesen im Kopf zu hören, hilft mir bei dieser anspruchsvollen Aufgabe sehr. Mit den Jahren hat sich zudem das Sprachgefühl und der Blick auf Details wie auch auf übergeordnete musikalischen Ebenen mehr und mehr geschärft.

Meinen Anfang nahm ich beim Bärenreiter-Verlag in Kassel. Es folgten bald Berge an Notenmanuskripten, die vor dem Druck durchzusehen und mit Originalquellen zu vergleichen waren. Neben bekannten Werken waren darunter auch bisher noch nie veröffentlichte.

Opern mit ihren unzähligen Orchesterstimmen, die alle einzeln zu korrigieren waren, kosteten viel an Zeit. Spannend und mühsam zugleich waren handschriftliche Vorlagen, die mit den Druckfahnen abzugleichen waren. Auch sogenannte Blindkorrekturen gab es, eine Quelle zum Vergleich fehlte dabei und ich musste nach meiner Intuition und Erfahrung vermuten, was falsch sein könnte.

Fast zeitgleich mit Bärenreiter startete ich beim renommierten Henle Verlag in München mit seinen grandiosen Urtext-Ausgaben. Ich hatte schon als Kind aus diesen Noten gelernt und war und bin bis heute von ihrer Professionalität im Notendruck, Schriftbild und in der verantwortungsbewussten und kritischen Auseinandersetzung mit den vielen Quellen begeistert.

Einige Jahre arbeitete ich noch zusätzlich als Korrekturleser für Schott-WEGA. Hier war ich vor allem für moderne Musik und Uraufführungen (Jörg Widmann, Aribert Reimann etc.) zuständig.

Ich halte dem Henle Verlag bis heute fest die Treue. Ich bekomme ca. 12 Aufträge pro Jahr, und ich bin sehr stolz, dass ich für dieses Haus als Korrekturleser tätig sein darf und meine musikalische Erfahrung dazu beiträgt, hoch qualitative Noten, kritisch hinterfragt und aufgearbeitet, auf den Markt zu bringen.

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Bild rote Boxen auf blauem Grund auf der Seite Noten-Korrekturleser
Die besten Noten: Urtext-Ausgaben